Zum Ehrentag des Unkrauts

by Heinrich Preuß

Das Unkraut ist im Deutschen schon wegen der Vorsilbe -Un semantisch negativ behaftet. Das Englische 'weed' ist da in der Bedeutung schon weiter gefasst und lässt doch zumindest teilweise positive Konnotationen zu.
Doch das Unkraut wird allgemeinhin weit unterschätzt. Für viele Menschen ist das Unkraut mit Arbeit verbunden, am Ende landet es in der Biotonne oder bestenfalls auf dem Kopf. Nur die wenigsten wissen und handeln danach, dass Unkraut auch auf unseren Tellern landen könnte. So ist beispielsweise beim Löwenzahn (Bild oben) jeder Teil der Pflanze essbar - in roher und verarbeiteter Form (Quelle: https://www.plantura.garden/gruenes-leben/ernaehrung/essbare-unkraeuter).

In folgendem Schaubild (auf Grundlage der Zahlen von https://www.weforum.org/agenda/2016/01/why-do-we-consume-only-a-tiny-fraction-of-the-world-s-edible-plants erstellt) wird deutlich, wie viel mehr Pflanzenspezies der Mensch eigentlich essen könnte.

In Brennnesseln beispielsweise befindet sich mehr Eiweiß als in der pflanzlichen Eiweißquelle schlechthin, der Sojapflanze (https://www.tantefanny.at/blog/essbares-unkraut-9-kraeuter/).
Viele der noch 299800 essbaren Pflanzenarten wurden vermutlich noch gar nicht entdeckt, die Beschränkung des Menschen auf den Anbau von lediglich 200 davon lässt sich aber hauptsächlich mit den Eigenheiten der industriellen Landwirtschaft und den notwendigen Mechanismen zur Bestäubung, die bei Reis, Mais und Weizen vergleichsweise einfach zu erreichen ist, weswegen diese drei Pflanzensorten zu mehr als der Hälfte der menschlichen Kalorienaufnahme beitragen.
Aber wenn auch die Brennnessel in absehbarer Zeit nicht auf deutschen Äckern ausgesät wird, so könnten wir doch entscheiden, dass die Brennnesseln, die wir mühsam in unseren Gärten als scheinbares Unkraut entfernen in Zukunft in der Teekanne oder im Mixer landen statt im Biomüll.

Avatar

Heinrich Preuß

Fri 30 Sep 2022

Thu 29 Sep 2022

Tue 27 Sep 2022